Paula und Helene Brünell – Ein Weg der Erinnerung

Die Stadt Brühl möchte an das Schicksal der zwei jüdischen Mitbürgerinnen Helene und Paula Brünell erinnern, die gemeinsam mit ihrer Mutter Bertha in den 1920er Jahren bis 1939 ein sehr erfolgreiches Kaufhaus in der Brühler Innenstadt betrieben. Helene und Paula wurden im Jahr 1942 über Köln nach Minsk verschleppt und in Maly-Trostinec ermordet.

Quer durch Brühl folgt dieser Gedenkweg den wesentlichen Lebensstationen der Schwestern Brünell und führt sowohl an zentrale Orte des jüdischen Lebens, wie auch an entscheidenden Punkten vorbei, an denen die Nationalsozialisten ihre Taten organisierten und ihre Macht demonstrierten.

Insgesamt umfasst der Weg neun Stationen und beginnt am Erinnerungsort am Platz Kempishofstraße / Wallstraße und endet beim jüdischen Friedhof in der Schildgesstraße.

Station 1 – Gedenktafel und -stein

Im Oktober 2022 wurde zur Erinnerung an Paula und Helene Brünell am Platz Kempishofstraße / Wallstraße ein Gedenkort eingeweiht, der einen Gedenkstein, eine Informationstafel und einen digital geführten Rundweg, welcher vor allem zentrale Lebensstationen der beiden Schwestern nachzeichnet, umfasst.

Ihr Schicksal soll stellvertretend an die jüdische Bevölkerung in unserer Stadt erinnern, die systematisch verfolgt, vertrieben, deportiert und getötet wurde.

Mit diesem Gedenkort, der zugleich ein Mahnmal darstellt, soll so ein weiteres sichtbares Zeugnis zur lebendigen Erinnerungskultur in unserer Stadt entstehen.

Station 2 – Wohn- und Geschäftshaus (Anfang 1920er Jahre)

Im Jahr 1891 kauften Bertha und Albert Brünell das kleine Haus in der Wallstraße. Dort wohnten sie gemeinsam mit ihren vier Kindern Helene, Adolf, Paula und Siegmund spätestens seit 1907. Zu dieser Zeit führte der Vater einen einfachen Milch- und Viehhandel, welchen die Familie zunächst nach Alberts Tod im Jahr 1910 weiterführte. Anfang der 20er Jahre eröffneten dann die Geschwister Paula und Helene gemeinsam mit ihrer Mutter das kleine Geschäft "Manufakturwaren Brünell" in der Wallstraße 70.

Im Jahr 1921 beantragte Bertha bei der Stadt Brühl in die Vorderfront des Hauses ein großes Schaufenster einbauen zu dürfen, wofür die zwei kleineren Fenster neben der Tür weichen sollten. Das damalige Warenangebot des Kaufhauses setzte sich aus Bekleidung und Textilien sowie Bettwäsche und Kissen zusammen. Kurz nach der Eröffnung zogen die Brüder Siegmund und Adolf aus, um als Geschäftsleute in Düsseldorf und Köln zu arbeiten.

Das kleine Geschäft erfreute sich in den 20er Jahren wachsender Beliebtheit, sodass sich die Schwestern zunächst dafür entschieden einen weiteren Standort in der Uhlstraße 37 einzurichten, um später ein größeres Textilkaufhaus in der Uhlstraße 14 zu eröffnen. Im Jahr 1931 verließen Helene und Paula gemeinsam mit ihrer Mutter nach über 20 Jahren die Wallstraße, wo sie ihre gesamte Kindheit und Jugend verbrachten.

Als im Juli 1939 Bertha Brünell nach schwerer Krankheit verstarb, ging das Grundstück in das Eigentum der Töchter über. Das Leben von Helene und Paula war zu dieser Zeit durch die Entrechtung und Enteignung der Nationalsozialisten geprägt. So wurden die beiden gezwungen, ihr Kaufhaus in der Uhlstraße zu schließen, es zu verkaufen und in das sogenannte "Judenhaus" in der Kempishofstraße 6 zu ziehen, wodurch sie ihre Existenzgrundlage als selbstständige Kauffrauen verloren.

Wie verbunden die beiden Schwestern mit einzelnen Bewohnenden der Wallstraße waren, verdeutlichen die Erinnerungen einer Zeitzeugin aus dem Jahr 1987. Demnach suchten Helene und Paula kurz vor der Deportation Hilfe bei früheren Nachbarinnen und Nachbarn, um noch einige Stücke ihres Besitzes zu verkaufen:

"Brünells Mädchen, die hatten zuerst gegenüber von uns in der Wallstraße gewohnt. Die hatten in der ‚Kristallnacht‘ noch einige Sachen gerettet, Textilien usw. – Eines Tages kamen die zu uns in die Wallstraße und schellten. Meine Mutter öffnete, da standen die beiden vor der Tür. Wir haben sie sehr gut gekannt. Sie sagten: ‚Frau W., wollen sie uns nicht ein paar Sachen abnehmen, wir werden morgen abgeholt (…) Wir brauchen ein bißchen Geld. Wenn Sie uns ein bißchen Geld geben könnten.‘ Meine Mutter sagte ja. Da kam eine Nachbarin und sagte: ‚machen Sie das nicht. Nachher kommen Sie in Teufelsküche. Das dürfen Sie nicht, das wissen Sie doch.‘ Meine Mutter ließ sich aber nicht abhalten und hat den Mädchen etwas abgekauft."

Über 40 Jahre war das Grundstück in der Wallstraße im Besitz der Familie Brünell, als das Oberfinanzpräsidium Köln im Sommer 1942, nach der Deportation von Helene und Paula, das Vermögen beschlagnahmte und sich den Besitz aneignete.


Station 3 – Kaufhaus Brünell (ab 1926) 

Zu Beginn der 1920er Jahre eröffneten Paula und Helene gemeinsam mit ihrer Mutter Bertha in ihrem Wohnhaus, Wallstraße 70, ein kleines Manufakturwarengeschäft. Bereits im Mai 1926 teilten sie ihre Geschäftsräume auf und richteten in der Uhlstraße 37 einen weiteren Standort ein, während ihre Wohnräume in der Wallstraße verblieben. Dort sind in der Zwischenzeit die Brüder Siegmund und Adolf ausgezogen, um in Düsseldorf und Köln als Geschäftsleute zu arbeiten.

Das Kaufhaus in der Uhlstraße verfügte über ein großes und ein etwas kleineres Schaufenster, in denen die verschiedensten Textilwaren auslagen. Mithilfe der zentralen Lage ihres Kaufhauses und dem Geschäftsprinzip der Schwestern, "Gute Ware für wenig Geld", entwickelte sich das Geschäft schnell zu einem gutlaufenden und beliebten Textilhaus. Dadurch war es ihnen möglich, schon nach fünf weiteren Jahren ein größeres Ladenlokal in der Uhlstraße 14 zu kaufen und dieses nach ihren Bedürfnissen umzubauen.

Die Familie Brünell gehörte der jüdischen Gemeinde an, weswegen ihr späteres Geschäft nicht von der nationalsozialistischen Hetze und Boykottmaßnahmen ab 1933 verschont blieb. In den Zeitungen – wie dem Westdeutschen Beobachter, aber auch der Brühler Zeitung – wurden beispielsweise ab 1934 vermehrt Verleumdungen über jüdische Geschäfte verbreitet und die Brühler Bevölkerung zu Denunziationen aufgerufen, falls Bekannte, die dann als sogenannte "Judenknechte" betitelt wurden, weiterhin in jüdischen Geschäften einkaufen gehen sollten. Eine weitere Maßnahme war ab 1935 die Kennzeichnung von Geschäften, deren Inhaber "arischer" Abstammung waren, mithilfe von Plaketten, die solche als "Deutsche Geschäfte" auswiesen. Die Schaufenster der jüdischen Geschäfte wurden hingegen vermehrt mit antisemitischen Parolen beschmiert.

Am 12. November 1938 – wenige Tage nach den verheerenden Novemberpogromen – erließ die nationalsozialistische Regierung die "Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben", welches die jüdische Bevölkerung von jeglichen wirtschaftlichen Aktivitäten ausschloss. Auch die Schwestern Brünell wurden gezwungen ihr Textilwarengeschäft aufzugeben und ihre Immobilie zu verkaufen.


Station 4 – Kaufhaus Brünell (ab 1931)

Das kleine Manufakturwarengeschäft der Familie Brünell entwickelte sich in den zwanziger Jahren zu einem wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen. Um ihre Geschäftsräume zu vergrößern, haben Paula und Helene gemeinsam mit ihrer Mutter Bertha im Jahr 1931 das Haus des jüdischen Kaufmanns Isaak Ingber in der Uhlstraße 14 gekauft. Vor ihrem Umzug im August ließ die Familie die Verkaufs- und Wohnbereiche nach den Plänen des Architekten Fritz Hermann umbauen und konnte damit ihre Waren in zwei großen passagenähnlichen Schaukästen auf über 120m² anbieten. In den Obergeschossen entstanden als Privaträume ein Wohnzimmer, eine Küche, eine weitläufige Dachterrasse und drei Schlafzimmer.

Bis 1933 entwickelte sich das Kaufhaus zu einem beliebten und etablierten Einkaufsort für Textilwaren aller Art. Dies änderte sich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und mit dem ausgerufenen Boykott jüdischer Geschäfte. Innerhalb weniger Jahre reduzierte sich der Umsatz des Kaufhauses von 80.000 auf 20.000 Reichsmark.

Das Leben der Brünells wurde zunehmend von der allmählichen Entrechtung und Ausgrenzung bestimmt. Ihre Situation verschärfte sich durch den, vom nationalsozialistischen Regime gelenkten Pogrom weiter, als am Vormittag des 10. Novembers 1938 die Mitglieder der Brühler Sturmabteilung (SA) in die Geschäfts- und Privaträume der Familie Brünell eindrangen und die beiden Passagenfenster zerstörten. Sie verwüsteten den gesamten Laden- und Wohnbereich und stahlen ausgestellte Waren. Paula und Helene kamen für mehrere Tage in "Schutzhaft" und mussten ihre Mutter schwer erkrankt und bettlägerig in der Uhlstraße alleine zurücklassen. Das kurz zuvor angestellte Hausmädchen, die 19-jährige Hilde Kaufmann, ist nur wenige Wochen nach den Übergriffen wieder nach Bonn zurückgezogen.

Zwei Tage nach diesen brutalen Ausschreitungen, bei denen auch die Synagoge in Brühl zerstört und weitere Wohnungen und Betriebe von Jüdinnen und Juden verwüstet wurden, erließ das nationalsozialistische Regime eine Verordnung "zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben". Damit war es der jüdischen Bevölkerung ab Januar 1939 verboten, eigenständig Betriebe und Geschäfte zu führen. Und auch die beiden Schwestern waren gezwungen, ihr Textilkaufhaus zu schließen und das Gebäude zu verkaufen, wodurch sie ihre Existenzgrundlage als selbstständige Geschäftsfrauen verloren.

Im Dezember 1938 schlossen Paula und Helene mit einer Privatperson einen Kaufvertrag über ihr Haus in der Uhlstraße ab. Aufgrund der Erkrankung der Mutter Bertha wollten die Geschwister solange wie möglich in diesem Haus wohnen bleiben und vereinbarten mit dem Käufer ein Wohnrecht auf Zeit. Dementsprechend sollte die endgültige Übergabe der Immobilie entweder sechs Monate nach der Räumung durch die Brünells oder sechs Monate nach dem Tod der Mutter stattfinden.

Als Bertha im Juli 1939 nach langer Krankheit verstarb, wurde die notarielle Urkunde im Januar 1940 aufgesetzt und der Kaufvertrag gültig. Wie die Schwestern war ein Großteil der jüdischen Bevölkerung in Brühl gezwungen, ihre Häuser und Geschäfte zu verkaufen. Somit waren die jüdischen Geschäfte ab November 1938 geschlossen, die meisten Häuser wurden im Jahr 1939 verkauft und auch einer Erwerbstätigkeit durften die Brühler Jüdinnen und Juden nicht mehr nachgehen. Sie mussten ihren Lebensunterhalt mit ihrem Ersparten bestreiten oder waren auf die Unterstützung anderer angewiesen. Das Leben der jüdischen Gemeinschaft war damit von existenziellen Nöten und Ängsten geprägt.

Als im April 1939 das "Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden" in Kraft trat wurde damit die Grundlage für eine Ghettoisierung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland geschaffen. Die in Brühl lebenden Jüdinnen und Juden wurden im Jahr 1941 in sogenannte "Judenhäuser" zwangseingewiesen. Zehn Jahre nachdem Paula und Helene ihr Kaufhaus in der Uhlstraße 14 eröffneten, mussten sie dieses verlassen und in die Kempishofstraße 6 übersiedeln. Dort lebten sie auf beengten Raum mit dreizehn weiteren Menschen und durften ihr Wohngebiet nicht mehr ohne amtliche Erlaubnis verlassen.

Fast ein Jahr später, im Juli 1942, wurden beide Brünell Schwestern zur Gestapo nach Köln überstellt und wenig später von dort nach Minsk in die Tötungsstätte Maly-Trostinec deportiert und ermordet. Als ihr offizielles Todesdatum wird der 8. Mai 1945 festgestellt.

Heute liegen zur Erinnerung an Helene und Paula, sowie für deren ehemalige Haushälterin Hilde Kaufmann, Stolpersteine vor dem Hauseingang des damaligen Kaufhauses Brünell.


Station 5 – Markt im Nationalsozialismus

Der Markt war auf Grund seiner zentralen Lage in der Innenstadt Brühls, bereits seit Jahrhunderten Zentrum des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Hier breiteten an Markttagen nicht nur die Händler ihr Warenangebot aus, sondern der Markt war auch ein Versammlungsort der Brühler Bevölkerung, einerseits zu vergnüglichen Anlässen wie der Margareten- oder Herbstkirmes, aber auch als zentraler Versammlungsort für politische Veranstaltungen.

So auch beispielsweise am 21. März 1933, dem sogenannten "Tag von Potsdam", als die Nationalsozialisten die Eröffnung des ersten Reichstages unter nationalsozialistischer Führung in der Potsdamer Garnisonskirche feierten. Die gesamte Veranstaltung wurde reichsweit im Rundfunk übertragen und in allen Städten fanden aus diesem Anlass feierliche Aktivitäten statt. Auch die Schulkinder aus Brühl bekamen für diese "nationale Kundgebung" frei und die Brühler Bevölkerung versammelte sich auf dem Marktplatz, um die Ansprachen Hindenburgs und Hitlers zu hören.
Zu diesem Zweck wurden auf der Marktstraße Lautsprecher installiert, welche auch in der darauffolgenden Zeit die Reden Hitlers regelmäßig übertrugen. Die Brühler Bevölkerung, auch diejenigen, die der NS-Politik ablehnend gegenüberstanden, mussten an solchen öffentlichen Kundgebungen zwangsweise teilnehmen. Nur so konnte eine vollumfängliche Indoktrinierung und Gleichschaltung der Gesellschaft gewährleistet werden.

Eine weitere Maßnahme der nationalsozialistischen Regierung zu propagandistischen Zwecken war in vielen deutschen Städten die Umbenennung öffentlicher Gebäude, Straßen und Plätze nach damaligen "NS-Größen". In Brühl verkündete Bürgermeister Freericks bereits im Rahmen der Feierlichkeiten am "Tag von Potsdam", dass – als Ausdruck der "vaterländischen Gesinnung" – der Markt zukünftig Adolf-Hitler-Platz heißen solle. Der Beschluss des Bürgermeisters wurde trotz des fehlenden Ratsbeschlusses – der neugewählte Stadtrat war bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht zusammengekommen – unverzüglich umgesetzt.

Während der 1930er Jahre fanden auf dem Adolf-Hitler-Platz neben solchen öffentlichen Versammlungen auch viele Paraden und Aufmärsche von NS-Verbänden, wie beispielsweise der Brühler Hitlerjugend, statt, die zum Zweck der politischen Inszenierungen nationalsozialistischer Herrschaft abgehalten wurden. Auch der "Westdeutsche Beobachter" in Brühl, welcher als Propaganda-Werkzeug der NSDAP diente, siedelte sich auf dem Adolf-Hitler-Platz an. Von hier aus verbreitete die nationalsozialistische Zeitung die schlimmsten Lügen, Verleumdungen und antisemitische Hetze, welche die Brühler Bürgerschaft gegen die jüdische Bevölkerung und Gegner der NSDAP aufwiegeln sollten.

Die Brühler Zeitung, die sich deutlich zurückhaltender bei der Verbreitung nationalsozialistischer Hetze zeigte, musste als Konsequenz ihre offizielle Bezeichnung als "Amtsblatt der Stadt Brühl" an den Westdeutschen Beobachter abgeben. Gleichzeitig verringerte sich bei der Brühler Zeitung zunehmend auch die Zahl der Abonnements, so dass die Zeitung 1940 ihr Erscheinen einstellen musste.

Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur wurde die Umbenennung des Marktes rückgängig gemacht und einige Jahrzehnte später der innerstädtische Bereich um den ehemaligen Marktplatz als Fußgängerzone und Einkaufsstraße ausgebaut.


Station 6 – Ehemaliges "Judenhaus" (Kempishofstraße 6)

Am 30. April 1938 legte die nationalsozialistische Regierung mit dem "Gesetz über Mietverhältnisse mit Juden" den Grundstein für die allmähliche Ghettoisierung der jüdischen Familien in sogenannten "Judenhäusern". Die jüdische Bevölkerung genoss ab diesem Zeitpunkt keinen gesetzlichen Schutz mehr vor Kündigungen und Zwangsräumungen ihrer Wohnungen. Ziele dieser Maßnahme waren unter anderem die räumliche Trennung von der übrigen "arischen" Gesellschaft und die zunehmende Isolierung der verfolgten Jüdinnen und Juden, die durch weitere gesetzliche Bestimmungen noch verschärft wurden.

Schon ab November 1938 regelte die "Verordnung über den Einsatz jüdischen Vermögens" die Konfiszierung jüdischer Vermögenswerte, die stattdessen zur Finanzierung der immer weiter steigenden Rüstungskosten verwendet wurden.
In Brühl befanden sich bis Ende 1936 / 1937 insgesamt 26 Häuser in jüdischem Besitz. Diese waren bereits bis 1939 mehrheitlich an Privatleute verkauft oder vom Staat beschlagnahmt wurden. Im gleichen Jahr erhielt die Stadtverwaltung Brühl von der Kreisleitung der NSDAP in Köln Anweisungen, dass: "Die Juden […] möglichst in einem Wohnblock zusammengefasst werden (sollen) und hierbei müssen zunächst die Juden, die selbst Hausbesitzer sind, noch 2-3 Familien ihrer Rasse als Untermieter bei sich aufnehmen."
Daraufhin wurden bis 1941 insgesamt drei Häuser jüdischer Familien aus Brühl zu sogenannten "Judenhäusern" erklärt: Das Haus von Sibilla Kramer (geborene Bähr) in der Wallstraße 28, das Haus von Karoline Heumann in der Wallstraße 35 und zuletzt das Haus von Josef Bähr in der Kempishofstraße 6, welches nach seinem Tod 1917 von seiner Witwe Amalie Bähr mit ihren erwachsenen Kindern Karl und Karoline ("Lina") bewohnt wurde.

Zwischen Juli und September 1941 wurden alle in Brühl lebenden Jüdinnen und Juden in jeweils eines dieser drei Häuser zwangseingewiesen. Ausgenommen von dieser Regelung waren nur Personen, die in sogenannten privilegierten Mischehen lebten oder als "Halbjude" galten.

  • Am 1. August 1941 zogen Henriette Manes, das Ehepaar Siegmund und Regine Sürth und Regines Bruder Max Fuldheim in die Kempishofstraße.
  • Am darauffolgenden Tag wurde auch Susanna Lucas, geborene Manes in das Judenhaus eingewiesen.
  • Am 24. September folgten Bertha Baer, ihre Schwiegertochter Irma und deren 12-jähriger Sohn Walter. 
  • Im gleichen Zeitraum mussten auch die Schwestern Paula und Helene ihr Haus in der Uhlstraße 14 verlassen und in das Judenhaus übersiedeln.
  • Zuletzt bezog das Ehepaar Nanni und Jakob Wolff auf Anweisungen der Stadt die Räumlichkeiten in der Kempishofstraße.

Ab diesem Zeitpunkt lebten insgesamt 15 Personen (!) in dem kleinen Haus. Innerhalb eines Jahres wurden alle dort lebenden Jüdinnen und Juden an die Gestapo überstellt und anschließend deportiert. Die zur Deportation vorgesehenen Personen erhielten üblicherweise einen Tag zuvor die Anweisung, dass sie sich zur "Aussiedlung" bereithalten sollten. Außer wenigen persönlichen Gegenständen mussten sie ihr sämtliches Hab und Gut zurücklassen. Helene und Paula Brünell versuchten deswegen einen Tag vor ihrer Deportation einige Haushaltsgegenstände an ihre Nachbarinnen und Nachbarn zu verkaufen, um so zumindest über eine kleine Geldreserve zu verfügen. Am darauffolgenden Tag wurden die betroffenen Personen mit dem Zug nach Köln gebracht und dort der Gestapo übergeben, die sie zunächst in Sammellagern unterbrachten. Von dort aus wurde der Weitertransport in Konzentrations- und Vernichtungslager organsiert.

Bereits im August 1942 lebten in zweien der Judenhäuser (Wallstraße 35 und Kempishofstraße 6) keine jüdischen Personen mehr.

Bereits wenige Wochen nach der Deportation der letzten jüdischen Hausbewohnenden, darunter auch die Hauseigentümerin Amalie Bähr, legte das Brühler Bauamt Pläne zur "Instandsetzung der Judenhäuser" vor, da wegen der großflächigen Zerstörung von Wohngebäuden infolge von Bombenangriffen dringend neuer Wohnraum in Brühl benötigt wurde. Der Renovierung des Hauses in der Kempishofstraße 6 stimmte das Oberfinanzpräsidium in Köln jedoch erst nach der Deportation von Amalie Bähr Mitte September zu. Diese hatte sich, aufgrund ihres schlechten Gesundheitszustandes, von Juli bis September 1942 in der Krankenbaracke des Sammellagers Köln-Müngersdorf aufgehalten. Nach ihrer Deportation ging das Haus schließlich in staatlichen Besitz über und wurde nach der Renovierung als Wohnraum für "arische" Personen zur Verfügung gestellt.


Station 7 – Ehemaliges "Braunes Haus" 

1936 kaufte die Stadt Brühl das Haus in der Schützenstraße 24. Bis zu diesem Zeitpunkt fungierte das Gebäude als Amtssitz des Preußischen Forstamtes Ville, welches nun das neuerrichtete Amtsgebäude in der Kaiserstraße bezog.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 nahm die Gründung von verschiedenen Abteilungen und (Orts-)Verbänden der NSDAP in Brühl weiter zu. 1938 wurde vom Rat der Stadt Brühl beschlossen diesen Gruppen geeignete Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Das leerstehende Forstamt sollte für die Unterbringung von ortsansässigen NS-Verbände genutzt werden. Nachdem dort umfangreiche Renovierungsarbeiten beendet worden waren, zogen bereits im Mai 1938 die beiden NSDAP-Ortsgruppen Nord und Süd, sowie die lokalen Geschäftsstellen der Deutschen Arbeitsfront (DAF), der NS-Frauenschaft, der NS-Kriegsopferversorgung (NSKOB) und des NS-Reichbundes für Beamten in das neue Parteigebäude ein.

Die umgangssprachliche Bezeichnung des Gebäudes als "Braunes Haus" ist eine weitverbreitete Bezeichnung ehemaliger NSDAP-Parteigebäude. Das erste "Braune Haus" befand sich in München im "Palais Barlow", welches von 1931 bis 1937 als Parteizentrale der NSDAP diente. Der Name "Braunes Haus" wurde damals von den Nationalsozialisten als offizielle Bezeichnung für das Palais gewählt und anschließend in vielen anderen Städten von der Bevölkerung für die lokalen Parteisitze übernommen. Heute existieren ehemalige "Braune Häuser" unter anderem noch in Karlsruhe, Darmstadt, Celle und Mainz.
Bereits in der Weimarer Republik war das "erdige Braun" der Uniformen der Sturmabteilung (SA), die umgangssprachlich auch als "Braunhemden" bekannt waren, zum inoffiziellen Symbol für die Nationalsozialistische Arbeiterpartei und der daran angeschlossenen Organisationen geworden. Die Nationalsozialisten übernahmen anschließend die Farbsymbolik als Ausdruck ihrer Verbundenheit mit dem deutschen "Heimatboden", gleichzeitig wollten sie sich wahrscheinlich auch vom Rot der kommunistischen und sozialistischen Parteien, sowie vom Schwarz der italienischen Faschisten farblich abgrenzen.
Heute befindet sich das Haus in der Schützenstraße 24 im Privatbesitz und wird als Wohnhaus genutzt. An der Außenwand des Gebäudes befindet sich eine Plakette, welche der Erinnerung und Sichtbarmachung an die nationalsozialistische Schreckensherrschaft dient. Die Inschrift lautet:

"GEQUÄLT, VERSTOSSEN, ERMORDET
ZUM GEDENKEN AN DIE OPFER DER NATIONALSOZIALISTISCHEN GEWALTHERRSCHAFT 1933-1945

VON DIESEM GEBÄUDE GING DER TERROR DER NSDAP SEIT 1938 AUS"


Station 8 – Synagoge

Eine Synagoge (griechisch Zusammenkunft) ist ein Ort der Begegnung und bildet den Mittelpunkt einer jeden jüdischen Gemeinde. Hier werden nicht nur Gottesdienste, sondern auch Festveranstaltungen abgehalten und Hebräischunterricht erteilt. Somit übernimmt eine Synagoge drei Funktionen und wird deshalb im hebräischen auch als Beth Knesset (Haus der Versammlung), Beth Tefila (Haus des Gebets) oder als Beth Midrasch (Haus des Lernens) bezeichnet.

In der jüdischen Gemeinde Brühls fand der Gottesdienst seit dem 18. Jahrhundert zunächst nur in einem hinteren Anbau einer Metzgerei in der Uhlstraße 30 / 32 statt. In Überlieferungen wird beschrieben, dass das Hinterhaus aus einem Gebetsraum für die Männer und einer Galerie für die Frauen bestand.
Schon bald war dieser Ort für die Bedürfnisse der Gemeinde nicht mehr ausreichend, da er sich zum einen in einem sehr schlechten und baufälligen Zustand befand und zum anderen für die circa 150 Mitglieder nicht genug Platz bot. Ebenfalls wird der Weg zum Anbau von einzelnen Gemeindemitgliedern als kaum passierbar und unzumutbar beschrieben, da dieser direkt an den Schlachtabfällen der Metzgerei vorbeiführte. Somit gab es innerhalb der Gemeinde zwar Zustimmung für den Bau einer Synagoge, jedoch war man sich über die Finanzierung und über den Beginn des Baus uneinig. Während der Vorstand noch warten wollte, bis genügend Geld für die Finanzierung des Gebäudes bereitstand, drängten einige Gemeindemitglieder auf einen schnelleren Baubeginn. Bereits im Jahr 1877 erhielt die jüdische Gemeinde die Genehmigung der Regierung, um die Besitzrechte des Grundstückes in der damaligen Friedrichstraße (heute: An der Synagoge) zu erwerben und an diesem Standort ihre Synagoge zu errichten. Doch aufgrund der Unstimmigkeiten verzögerte sich die Errichtung und erst am 27. April 1881 traf die Repräsentantenversammlung der jüdischen Gemeinde den endgültigen Entschluss zum Synagogenbau. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich, trotz des Beschlusses, der eigentliche Baubeginn nochmals verschob.
Als das wahrscheinlichste Jahr der Einweihung und Fertigstellung der Brühler Synagoge gilt das Jahr 1884.

Die Grundlage für das Gebäude bildet der Plan des Deutzer Kommunalbaumeisters Heinrich Müller. Dementsprechend wurde die Synagoge mit einem rechteckigen Grundriss als ein eingeschossiger Backsteinbau mit einem Satteldach und mit der Front zur Straße hin errichtet. Wichtige Gestaltungsmerkmale waren die Hufeisenbögen für die Tür- und Fensteröffnungen sowie das zentrale Rundfenster an der Frontseite des Gebäudes. Das Grundstück selbst war mit einem schmiedeeiserenen Zaun auf einer niedrigeren Mauer vom Gehweg abgetrennt. In dem jüdischen Gotteshaus gab es nun einen großen Gebetsraum, welcher über 150 Plätze verfügte. Im Jahr 1908 wurde das Dach der Synagoge um eine traufseitige Dachgaube mit vier kleinen Hufeisenbögen sowie einen kleinen Zwiebelturm mit aufgesetztem Davidstern erweitert.

Die jüdische Gemeinde Brühls trat mit der Errichtung der Synagoge aus dem Rand der Stadtgesellschaft heraus und war nun im Stadtbild repräsentativ vertreten, weshalb der Synagogenbau auch als ein Symbol der Blütezeit für die Gemeinde betrachtet werden kann.
Infolge der Novemberpogrome wurde die Brühler Synagoge am 10. November 1938 in Brand gesetzt und vollständig zerstört. Nach Bekanntwerden von Ausschreitungen gegen Jüdinnen und Juden innerhalb ganz Deutschlands, entschloss sich am Abend des 9. Novembers während einer Feier im Hotel Belvedere auch die Brühler Sturmabteilung (SA) dazu gewaltsame Übergriffe auf jüdische Geschäfts- und Privaträume stattfinden zulassen. Allerdings warteten die SA-Männer zunächst die Anweisungen und Befehle des Kölner Sturmbanns ab, welche am Vormittag des 10. Novembers telefonisch erteilt wurden. Im Tagesverlauf verwüsteten und zerstörten sie jüdische Geschäfte und Häuser. Darüber hinaus misshandelten sie Jüdinnen und Juden und nahmen Personen in "Schutzhaft". Die Synagoge stand gegen Mittag in Flammen. Schriftliche Quellen über den Ablauf des Pogroms in Brühl gibt es leider kaum, sodass vor allem mündliche Überlieferungen die damaligen Geschehnisse beschreiben. Ein Zeitzeuge (Jahrgang 1928) erinnerte sich 1987 an diesen Tag:

"Ich war in der Schule, im Gymnasium gegenüber der Synagoge. Ich saß im hinteren Eckraum im ersten Geschoß am Fenster. Morgens zehn, Viertel nach zehn ging es mit der Synagoge los. Wir haben uns das ein, eineinhalb Stunden ansehen dürfen […] Wir konnten die Vorgänge draußen sehr genau beobachten. Ich konnte sehen, daß die Feuerwehr ankam, die wurde aber fortgeschickt […] Die Synagoge war vorne abgesperrt, da durfte niemand hin, aber rechts und links, zum Teil auch auf dem Schulhof, standen Schaulustige."

Später versuchte die Feuerwehr lediglich das Übergreifen des Feuers auf die benachbarten Gebäude zu verhindern, sodass die Synagoge gänzlich abbrannte. Am Abend, gegen 18 Uhr, endete der Novemberpogrom in Brühl. Im Jahr 1948 sprach das Kölner Landgericht zwölf Personen aufgrund der Geschehnisse für schuldig. Von ihnen wurden drei Männer zu je zwei Jahren Zuchthaus und die übrigen neun Personen zu Gefängnisstrafen verurteilt, wobei nur ein Täter seine Strafe vollständig verbüßen musste. Viele wurden vorzeitig entlassen und ein Verurteilter musste seine Haftstrafe nicht antreten.

Am 3. April 1939 wurde das Grundstück mit den Überresten der Synagoge an einen Brühler Bürger verkauft, mit der Verpflichtung die verbleibenden Spuren des Gebäudes vollständig zu beseitigen. Somit war die Brühler Synagoge fast 55 Jahre nach ihrer Entstehung wieder aus dem Stadtbild verschwunden.

Heute befindet sich auf dem benachbarten Gelände neben der ehemaligen Synagoge eine Gedenkstätte, welche im Jahr 1993 errichtet wurde. An die menschenverachtenden Verbrechen erinnert jährlich ein Schweigegang durch die Brühler Innenstadt bis hin zur Synagogengedenkstätte.


Verlauf des Synagogenbrandes am 10. November 1938
(c) Stadt Brühl und Stadtarchiv Brühl / Neff


Station 9 – Jüdischer Friedhof

Neben den Synagogen gehören die jüdischen Friedhöfe zu den zentralen Einrichtungen einer jüdischen Gemeinde. Sie übernehmen eine besondere Bedeutung im Judentum und werden im hebräischen als bet-ha-olam (Haus der Ewigkeit) oder bet-ha-chajim (Haus des Lebens) bezeichnet. Mit dem Glauben an die Auferstehung nach dem Tod, gehen die Gräber in den ewigen Besitz der Verstorbenen über. Daher sind die jüdischen Friedhöfe für die Ewigkeit angelegt und ein Verkauf oder eine Aufgabe der Begräbnisstätten erscheinen undenkbar. Die Gräber werden oft schlicht gestaltet und sich selbst sowie den Witterungsverhältnissen überlassen. Während eines Besuches werden zum Gedenken an die Verstorbenen kleine Steine, anstatt Blumen, auf die Gräber gelegt und männliche Besucher sollten aus Respekt eine Kopfbedeckung tragen.

Erstmals am 10. Januar 1371 urkundlich erwähnt ist der jüdische Friedhof in Brühl der älteste Friedhof im gesamten Stadtgebiet und auch im Rhein-Erft-Kreis. In dieser Zeit lag er außerhalb der Stadtmauern. Anhand verschiedener Quellen kann nachvollzogen werden, dass sich der Standort des jüdischen Friedhofes auch über 650 Jahre später nicht verändert hat. In den Überlieferungen wird diese Stelle oft als "Judenbüchel", einen kleinen Hügel mit einer Windmühle, beschrieben.
Wann der Friedhof in den Besitz der jüdischen Gemeinde überging, kann aufgrund von fehlenden Zeugnissen nicht genau ermittelt werden. Es ist zu vermuten, dass sie das Grundstück um 1800 kaufte. Zuvor befand sich das Gelände im Eigentum des Burggrafen Peter Plentz und die jüdische Gemeinde musste Abgaben für die Beerdigungen sowie Nutzung zahlen. Im Jahr 1791 entschloss sich der Burggraf, einen Teil des Gebietes für die landwirtschaftliche Nutzung freizugeben, woraufhin sich die jüdische Gemeinde hilfesuchend an den Kurfürsten wandte. Um eine Zweckentfremdung ihrer Begräbnisstätte zu verhindern und diesen Ort auch weiterhin für Beerdigungen nutzen zu können, war die Gemeinde bereit weitere Zahlungen zu leisten. Dies verdeutlicht nochmals die besondere Bedeutung eines jüdischen Friedhofes als Haus der Ewigkeit. Diesem Bittgesuch wurde stattgegeben und die Gemeinde konnten den Friedhof bis in die 1940er Jahre in seiner Funktion als Begräbnisstätte verwenden. Erst die Nationalsozialisten beendeten die jahrhundertelange Nutzung des Friedhofes.

Die letzte große jüdische Beerdigung fand im März des Jahres 1934 statt. An ihr nahmen auch viele nicht jüdische Bürgerinnen und Bürger Brühls teil. Die Trauernden bildeten gemeinsam mit dem geschmückten Sarg auf einer von Pferden gezogenen Lafette einen großen Leichenzug, welcher am Markt vor dem Haus der Verstorbenen begann und sich durch die Stadt bis zum jüdischen Friedhof zog. Adolf Kober, der Rabbiner der kölnischen Gemeinde, führte damals die Grablegung durch.

Als am 5. Juli 1939, nur fünf Jahre später, Bertha Brünell, die Mutter von Helene und Paula, nach langer Krankheit verstarb, war es zweifelhaft, ob sie überhaupt auf dem Friedhof beerdigt werden konnte, da die Brühler Stadtverwaltung dessen Schließung seit Anfang des Jahres 1939 vorantrieb. Die Ungewissheit war für die Schwestern schwer zu ertragen und sie waren erleichtert, als Bertha kurze Zeit später doch auf dem jüdischen Friedhof in Brühl beigesetzt werden konnte. Ihr Grab existiert dort heute noch.

Für die Schließung informierte sich die Verwaltung bei dem Deutschen Gemeindetag über die rechtlichen Möglichkeiten und als im Mai der Regierungspräsident sein Einverständnis gab, musste nur noch die Frage geklärt werden, wo die zukünftigen jüdischen Beisetzungen stattfinden sollen. Im Februar des Jahres 1940 einigten sich die Bezirksregierung mit den jüdischen Gemeinden aus Brühl und Köln darauf, dass die Verstorbenen nun von einem "arischen" Bestattungsunternehmen zum jüdischen Friedhof nach Köln-Bocklemünd transportiert und auch dort beerdigt werden sollen. Somit schien es, dass alle Bedingungen für eine Schließung des jahrhundertealten Friedhofes erfüllt waren, als der Regierungspräsident am 1. März 1940 entschied, dass diese Entscheidung bis zum Kriegsende zunächst auszusetzen sei.
Als die jüdische Gemeinde Brühls am 27. Mai 1941 in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland eingegliedert wurde, bot die Reichsvereinigung im gleichen Jahr dem Brühler Bürgermeister den Kauf des Friedhofsgeländes an. Dieser wiederrum lehnte ab und verwies auf das Unternehmen Roddergrube. Ob eine Verkauf stattfand oder nicht, lässt sich aus den Überlieferungen nicht nachvollziehen.

Heute ist der Friedhof, nach der Zerstörung der Synagoge im Jahr 1938, das einzige sichtbare Zeugnis jüdisches Gemeindelebens in unserer Stadt. Insgesamt umfasst er 4.170 Quadratmeter und zählt damit zu den flächenmäßig größten jüdischen Friedhöfen im Regierungsbezirk Köln. Es sind noch ungefähr 100 Grabsteine aus den Jahren zwischen 1746 und 1946 erhalten, wobei die ältesten auf dem östlichen und die neueren auf dem westlichen Teil des Friedhofes stehen. Insbesondere die ältesten Grabsteine im hinteren verwilderten Bereich des Friedhofes sind durch die Witterungseinflüsse kaum noch zu erkennen und dem Verfall ausgesetzt. Zudem sind auf dem Grundstück noch eine verwitterte Steinbank und Überreste einer rituellen Brunnenanlage erhalten. Aus den Grabinschriften lässt sich das jüdische Selbstverständnis ableiten, welches sich im Laufe der Zeit veränderte. Sind die Beschriftungen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts noch rein hebräisch, reduziert sich im Laufe der Zeit das Hebräische auf die Einlassformel "Hier ist begraben / verborgen". Die Grabsteine sind nun vor allem deutschsprachig gestaltet, was auf die zunehmende Assimilierung der jüdischen Gemeinschaft Brühls hinweist. Das Steinheim Institut hat in seiner online einsehbaren epigraphischen Datenbank 96 Inschriften aus den Jahren zwischen 1882 und 1946 dokumentiert sowie übersetzt.


Literaturempfehlungen

Becher, Jutta: Die Vergangenheit vergeht nicht. Erinnerungen an die Geschichte der jüdischen Gemeinde Brühl, in: Brühler Heimatbund e.V. (Hrsg.): Wissenschaftliche Beiträge zur Brühler Geschichte – Beilagen zu den Brühler Heimatblättern. Jg. 61 (2004), Heft 1.

Becker-Jákli: Juden in Brühl, Brühl, 1988.

Brühler Zeitung, Jg. 24-43 für die Jahre 1921 bis 1940.

Drösser, Wolfgang: Brühl. Geschichte: Bilder – Fakten – Zusammenhänge, Brühl, 2016.

Drösser, Wolfgang: Brühl: Denkmäler und mehr, Brühl, 2017.

Hittmeyer-Witzke, Sabine: Helene und Paula Brünell. Zwei beliebte Brühler Geschäftsfrauen. Schwestern-Brünell-Weg in Brühl-Ost, in: Brühler Heimatbund e.V. (Hrsg.): Brühler Heimatblätter. Jg. 65 (2008), Heft 4.

Linn, Heinrich: Juden an Rhein und Sieg, Siegburg 1983.

Pracht, Elfi: Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Regierungsbezirk Köln, Köln, 1997.

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